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Kinder-Garten

Ich bin – Asche auf mein Haupt – die Rabenmutter schlechthin!

 

Denn ich habe nach der Geburt meines Kindes weder alle giftigen Pflanzen aus meinem Garten verbannt, noch den Teich zugeschüttet (nicht einmal einen Zaun drumherum gebaut), noch sämtliche stacheltragenden Insekten vernichtet. Im Gegenteil, es kommt sogar noch schlimmer: Ich lasse mein Kind barfuß auf der Blumenwiese laufen, mit dreckigen Händen ungewaschenes Obst essen und mit Regenwürmern, Spinnen und Schnecken spielen!

 

Mein Kind ist weder in den Teich gefallen, geschweige denn darin ertrunken, noch hat es sich vergiftet oder ist vom Dreck krank geworden. Es hat sich wohl einmal die Haut an Rosenstacheln aufgerissen und wurde ein einziges Mal von einer Biene gestochen, aber das hat es – man stelle sich vor! – folgenlos überlebt.

 

Stattdessen habe ich es mit Dialog, Vorbild und Erziehung versucht. Man kann nämlich mit Kindern reden, auch schon mit sehr kleinen! Und Regeln aufstellen und auf ihre Einhaltung pochen.

 

Im Kleinkindalter gab es bei uns im Garten drei unumstößliche Regeln: 1. Es wird nichts, aber auch gar nichts, von Pflanzen abgerissen. (Obst wird ausschließlich gemeinsam mit Erwachsenen geerntet.) 2. Es wird keine Pflanze oder ein Teil davon in den Mund gesteckt, auch nicht, wenn es auf dem Boden liegt. (Obst wird nur gegessen, wenn es in der Schale auf dem Tisch steht.) 3. Zum Teich wird nur in Begleitung Erwachsener gegangen. Es versteht sich von selbst, dass ich diese Regeln durchgesetzt habe, mit liebevoller Strenge und Konsequenz. Auch das hat meinem Kind nicht geschadet.  

 

Im Kindergartenalter kam Aufklärung hinzu und eine ganz klare Aufforderung: Was du nicht weißt, frage! Ich habe meinem Kind alle giftigen Pflanzen im Garten erklärt und darauf geachtet, dass es sie benennen, mit und ohne Blüte zeigen und von anderen unterscheiden konnte. Mein Kind wusste schon sehr früh ganz genau, wo der Eisenhut steht und wie der Rote Fingerhut aussieht, der sich selbst aussät und nie am selben Ort bleibt. Im Vorschulalter konnte es durch den Garten gehen und Fremden sämtliche Giftpflanzen erklären. So wie das Wissen wuchs, wurden die Regeln gelockert: Konnten Johannisbeeren sicher (!) von anderen roten Beeren unterschieden werden, durften sie alleine geerntet und gegessen werden.

 

Außerdem habe ich den natürlichen Nachahmungstrieb genutzt. In der Erde buddeln war eh viel interessanter als im Sand buddeln. Mama pflanzt – ich will auch! Mama gießt – ich will auch! Mama entfernt Unkraut – ich will auch! Also habe ich ihm gezeigt, was er rauszupfen konnte, und so hat es neben mir gekniet und Unkraut gezupft. Mein Kind durfte auch schon ganz früh, gerade dem Krabbelalter entwachsen, Blümchen pflanzen. Mit Schäufelchen ein Loch buddeln, Blümchen rein, fein mit der Gießkanne wässern. Jeden Tag hat mein Kind fasziniert nach seinem Blümchen geschaut und es gegossen. Und dabei gelernt, dass man Blümchen bei Regen nicht zu gießen braucht. Im Kindergartenalter hatte es schon sein eigenes Beet, was es nach Lust und Laune gestalten durfte.

 

Eigentlich war Junior im Garten stets an meiner Seite. Spielgeräte waren weitgehend uninteressant. Der Sandkasten wurde selten genutzt, beliebt war hingegen im Sommer das Planschbecken, da wurden die Sandförmchen als Schiffe genutzt mit Spinnen und Marienkäfern als Passagiere. Und jede ins Wasser gefallene Fliege wurde selbstverständlich gerettet.

 

Dazu kamen Bücher. Was gibt es nicht für tolle Natur-, Tier- und Gartenbücher für Kinder aller Altersklassen! Doch das schönste war das Geschenk von Oma zum 9. Geburtstag: ein Mikroskop mit Präparierbesteck, entsprechender Literatur und allem, was dazugehört. Von da an wurde gesammelt, präpariert, gefärbt, fotografiert und im www rechercheriert, was das Zeug hält: Zwiebelhäutchen, Insektenflügel, Blätter, Nadeln, Ameisen, Teichwassertropfen, Haare, ein Blutstropfen aus dem eigenen Finger, Heuaufguss, Aufguss aus Komposterde und, und, und...

 

Ich selber bin übrigens auch so aufgewachsen. Ich habe daran die schönsten Erinnerungen. Ich wollte meinem Kind ermöglichen, diese gleichen Erfahrungen auch zu machen. Eine Kindheit in einem Garten ist eine enorme Bereicherung - lasst es die Kinder erleben!

 

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